Elektrolytstörungen Teil I

Sie kommt bei ca. 10% aller Krankenhaus-patienten vor und ist die am häufigsten mit einem Kreislaufstillstand vergesellschaftete Elektrolytstörung, insbesondere bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz: die Hyperkaliämie

Deshalb sollte eine Hyperkaliämie bei allen Patienten mit einer Arrhythmie oder einem Kreislaufstillstand ausgeschlossen werden. Hier gibt die arterielle Blutgasanalyse schnell Aufschluss und kann zugleich eine Pseudohyperkaliämie differenzieren.

Bei der Pseudohyperkaliämie finden sich falschhohe Serumkaliumwerte bei normwertigem Plasmakaliumwert. Ursächlich hierfür ist meist eine Hämolyse der Blutprobe durch zu lange Transportzeiten ins Labor, schlechte Lagerungsbedingungen oder Probleme bei der Blutentnahme.

Die Symptome variieren von Muskelschwäche , Parästhesien bis hin zu Herzrhythmusstörungen und sind dabei abhängig zum einen vom Ausmaß der Hyperkaliämie als auch der Geschwindigkeit der Entstehung.

Die häufigsten Ursachen der Hyperkaliämie sind im Folgenden aufgelistet:

• Nierenversagen (akutes Nierenversagen oder chronische Niereninsuffizienz),

• Medikamente (z. B. ACE-Hemmer, ATII-Antagonisten, kaliumsparende Diuretika, nicht-steroidale Entzündungshemmer, Beta-Blocker, Trimetoprim)

• Gewebeuntergang (Rhabdomyolyse, Tumorauflösung, Hämolyse)

• metabolische Azidose (z. B. Nierenversagen, diabetische Ketoazidose)

• endokrine Störungen (z. B. Addison-Krise)

• Diät (kann die alleinige Ursache sein bei Patienten mit fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung)

• fälschliche Pseudohyperkaliämie (verdächtig in Fällen mit normaler Nierenfunktion, normalem EKG und/oder einer Vorgeschichte von hämatologischen Störungen)


Folgende EKG-Veränderungen können auftreten:

• AV-Block ersten Grades (verlängertes PQ-Intervall auf > 0,2 s)

• flache oder fehlende P-Wellen, 

• hohe, steile T-Wellen („Zeltform“). Die T-Welle ist größer als die R-Zacke in mehr als einer Ableitung

• ST-Senkungen

• S- und T-Verschmelzungswelle (Sinuswelle)

• breiter QRS-Komplex (> 0,12 s)

• ventrikuläre Tachykardie

• Bradykardie

• Kreislaufstillstand (pulslose elektrische Aktivität, VF/pVT, Asystolie).


Die Einteilung der Hyperkaliämie sowie die entsprechende Therapie erfolgt anhand des Serumkalium-Wertes. Je nach Schwere der Hyperkaliämie, eröffnen sich unterschiedliche Therapiestrategien. Bei einer leichten Hyperkaliämie wird lediglich eine Kaliumelimination mittels Austauschharzen angestrebt, während die Therapie der mittelschweren bis schweren Hyperkaliämie, je nach Vorhandensein von EKG-Veränderungen, die kardiale Protektion sowie die Kaliumverschiebung anstrebt. Durch beide Therapieoptionen soll vor allem Zeit gewonnen werden um auch hier eine ausreichende Kaliumelimination mit Hilfe von Austauschharzen zu ermöglichen. Die Kaliumverschiebung wird meist durch einer Glucose-Insulin-Infusion bewirkt. Der Einfachheit halber hat sich die sogenannte 20er-Regel in der Notaufnahme etabliert.

200ml Glucose 20% + 20 I.E. Altinsulin über 20min i.v.

obwohl bei einer Symptomatik mit Calcium tatsächlich auch ein kardioprotektives "Antidot" für die Akutbehandlung zur Verfügung steht. 


Diese Therapie zielt auf Verhinderung bzw. Beendigung schwerwiegender Effekte des Kaliums auf erregbares Gewebe und hat unter EKG-Monitoring zu erfolgen.

Calciumglukonat 10% 30 ml/10 min

Effekt nach 3min, ggf. erneute Gabe nach 5min

CAVE bei vorbestehender Digitalistherapie


Je nach Schwere und Therapieresistenz sollte eine notfallmäßige Dialyse in Erwägung gezogen werden. Die wesentlichen Indikationen für eine Dialyse bei Patienten mit Hyperkaliämie sind im Folgenden genannt:

• schwere, lebensbedrohliche Hyperkaliämie mit oder ohne EKG-Veränderungen oder Arrythmien

• therapieresistente Hyperkaliämie

• terminales Nierenversagen

• oligurisches akutes Nierenversagen (Urinausscheidung < 400 ml pro Tag)

• deutlicher Gewebsuntergang, z. B. Rhabdomyolyse


Die ERC/GRC haben einen Algorithmus herausgegeben, den man als Diensthabende(r) in der Notaufnahme auf jeden Fall kennen sollte - auch an dieser Stelle sei noch einmal auf die an oberster Stelle genannte (c)ABCDE-Herangehensweise hingewiesen, die sich leider immer noch nicht in alle Köpfe vorgearbeitet hat.

hyperkaliaemie

Literatur:

Kapitel 4 der Leitlinien zur Reanimation 2015 des European Resuscitation Council
Notfall Rettungsmed 2015 · 18:833–903 DOI 10.1007/s10049-015-0096-7
Online publiziert: 12. November 2015 © European Resuscitation Council (ERC),
German Resuscitation Council (GRC), Austrian Resuscitation Council (ARC) 2015
Klinische Notfälle griffbereit; 3. Auflage, Marcel Frimmel
Innere Medizin, Gerd Herold und Mitarbeiter
Lin CH, Tu YF, Chiang WC, Wu SY, Chang YH, Chi CH (2013) Electrolyte abnormalities and
laboratory findings in patients with out-of-hospital cardiac arrest who have kidney disease.
Am J Emerg Med 31:487–493
Acker CG, Johnson JP, Palevsky PM, GreenbergA (1998) Hyperkalemia in hospitalized patients:
causes, adequacy of treatment, and results of an attempt to improve physician compliance with
published therapy guidelines. Arch Inter Med 158:917–924