Magnesium? Das nimmt man doch bei Muskelkrämpfen und selbst das ist irgendwie veraltet und nur bei einem ausgeprägten Mangel als wirkliche Therapie anzusehen. Und wer hat den schon?
Nicht ganz richtig! Magnesium ist wirklich ein Multitalent und auch wenn in vielen Fällen noch eine bessere Studienlage (v.a. quantitativ, nicht qualitativ) fehlt, um es tatsächlich auch in Leitlinien zu übernehmen, wird es vielerorts von Klinikern eingesetzt.
Was leistet Magensium also: Mg2+ kontrolliert u.a. über die Na+-K+-ATPase (einige werden sich aus dem Studium noch erinnern) den transmembralen Ionentransport von Natrium, Kalium und Calcium und wirkt somit membranstabilisierend.
An folgenden Organen kann man sich das in der Notfallmedizin zunutze machen:
HERZ: Magnesium kann über eine verzögerte AV-Überleitung zur Herzfrequenzstabilisierung und über die Reduktion früher Nachdepolarisationen zur Rhythmusstabilisierung eingesetzt werden, wirkt also antiarrhythmogen. Von der European Society of Cardiology wird es gegen ventrikuläre Rhythmusstörungen und die Prävention des plötzlichen Herztodes empfohlen.
Es ist gut wirksam gegen das Entstehen von Vorhofflimmern bei kardiochirurgischen Eingriffen und geeignet zur Akuttherapie von Vorhofflimmern, SVT, Torsades de pointes, polymorpher ventrikulärer Tachykardien sowie medikamenteninduzierter Herzrhythmusstörungen.
Die in der Literatur üblicherweise angegebene "Herzdosis" beträgt 1g i.v. (TdP 2g i.v.)
Doch Achtung: der bradykardisierende Effekt tritt bei der puren i.v.-Gabe deutlich schneller und ausgeprägter auf. Daher sollte Magnesium i.v. immer als Kurzinfusion gegeben werden.
Ein weiterer Effekt wird beim akuten Myokardinfarkt beschrieben: Magnesium soll hier eine Nekroselimitierung bewirken.
LUNGE: Magnesium besitzt erwiesenermaßen einen bronchodilatatorischen Effekt. Dieser setzt erst verzögert ein, kann aber offensichtlich vor allem seine Wirkung entfalten, wenn die inhalativen Sympathomimetika die kleinen Atemwege gar nicht erreichen. Magnesium entspannt hier Calcium-vermittelt die glatte Muskulatur und ist daher mittlerweile als Co-Therapeutikum v.a. beim Asthma-Anfall empfohlen. Die "Lungendosis" beträgt 2g i.v. - ebenfalls als Kurzinfusion.
Diskussionsstoff liefert der Einsatz bei COPD. Dies ist schlichtweg nicht wirklich untersucht und kann in Zeiten der evidenzbasierten Medizin daher nicht empfohlen werden, dazu reichen die derzeitigen Studien nicht aus. Nichtsdestotrotz zeigt die Durchsicht der aktuellen Literatur einen positiven therapeutischen Effekt bei vernachlässigbaren Nebenwirkungen, vor allem in Kombination mit Salbutamol und/oder Ipratropiumbromid. Die Indikation darf hier also im Zweifelsfall großzügig gestellt werden, da es potentiell mehr helfen als schaden wird. (Evidenzgrad B in schwierigen und lebensbedrohlichen Exazerbationen)
Indikationen von Magnesiumsulfat:
• akuter Myokardinfarkt (2g über 15min, 0,7g über 24h)
• hypertensive Krise bei Eklapmpsie
• vorzeitige Wehen, Tokolyse (2-4g über 15-30min, anschl. 1-2g über 60min)
• Koronarspasmen
• QT-Verlängerung bei Hypothermie und Hypothyreose
• stabile und instabile Angina pectoris
• tachykarde Herzrhythmusstörung aller Genesen
• Torsades de pointes (2g über 15min, 0,7g über 24h)
• Asthma / COPD
Es sind keine Kontraindikationen bekannt.
Des Weiteren sind diverse Artikel u.a. mit Indikationen zur Migräneprophylaxe, antihypertensiven Therapie, uvm. veröffentlicht worden.
Magnesium 10% (10ml = 4mmol = 1g)
Literatur:
Ann Thorac Med. 2014 Apr-Jun; 9(2): 77–80.
doi: 10.4103/1817-1737.128844 Magnesium for acute exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease: A systematic review of randomised trials
Medscape, 2016, Jan27: Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD) and Emphysema in Emergency Medicine Medication
Alter HJ, Koepsell TD, Hilty WM. Intravenous magnesium as an adjuvant in acute bronchospasm: a meta-analysis. Ann Emerg Med. 2000 Sep. 36(3):191-7. [Medline].
Baker WL et al. Treating Arrhythmias with Adjunctive Magnesium: Identifying Future Research Directions. Eur Heart J Cardiovasc Pharmacother 2016, online 15. September 2016; doi: 10.1093/ehjcvp/pvw028
Europace 2015; 17: 1601–1687