Jahrelang "predige" ich, dass die von mir so geliebte "Doppel-6" oder eben 12 Buchstaben schon beinahe ausreichen, um gut in der Notfallmedizin zurechtzukommen. Dabei habe ich mich persönlich immer gegen Erweiterungen wie z.B. "den SAMPLER" gewehrt. Bei letzterem halte ich den Zusatz um Risiken nicht für zielführend: hat der Patient z.B. eine kardiale Vorerkrankung oder OP, habe ich diese ja bereits erhoben und brauche sie unter "R" nicht noch einmal zu notieren. Nichtsdestotrotz kann man es sich unter dem "R" natürlich noch einmal extra präsent machen, was durchaus die Versorgung verbessern kann, insofern mag das jeder für sich entscheiden und dementsprechend nutzen oder nicht. Vehementer ist mein persönlicher Widerstand z.B. bei dem "SAMPLER-S"-Schema, hier wird für den deutschsprachigen Gebrauch noch einmal die Schwangerschaft ins Gedächtnis gerufen. Ich hatte bereits zu Beginn meines Berufslebens häufig die Schwierigkeit, dass einige das SAMPLE-Schema noch nicht kannten, da in den deutschsprachigen Veröffentlichungen höchstens mal das AMPEL-Schema Erwähnung fand. Nun hat sich das englischstämmige SAMPLE-Schema aber ja flächendeckend durchgesetzt, dann kann man sicher auch einfach mal von medizinisch gebildetem Personal erwarten, sich das P für Pregnancy einfach zu merken. Anderenfalls hat ein Merkwort auch schnell seinen Sinn verloren, wenn es irgendwann aus 23 Buchstaben besteht, um jedes kleine Detail noch einmal extra abzubilden.
Warum sehe ich das also beim cABCDE anders? Und was soll das F so Wichtiges sein?
(Nicht nur) Meiner Meinung nach hängen wir im Fehlermanagement in der Medizin Jahre wenn nicht Jahrzehnte hinterher. Vergleiche mit der Luftfahrt usw. werden ständig gezogen und hier und da etabliert sich eine gewisse Fehlerkultur, ja - gut so. Auch in unseren Kursen legen wir sehr viel Wert auf Teamkommunikation, CRM und sprechen häufige Fehler an, da das Wissen über die verschiedenen Fehlerarten diese oft schon verhindert oder zumindest seltener macht. In vielen verbreiteten Formaten ist das mittlerweile ebenso fester Bestandteil der Kurse.
Dank der tollen Arbeit der Kolleginnen und Kollegen von z.B. Faktor Mensch, Inpass, uvm. sind Fehlerkultur, Checklisten und weitere Konzepte endlich "salonfähig" geworden, führen aber dennoch irgendwie ein Schattendasein. Offensichtlich sind viele Mediziner nämlich immer noch der Meinung, dass diese sogenannten Soft Skills weniger entscheidend sind.
Dass dem aber nicht so ist, und um dem ganzen eine gewisse Gewichtung zu geben, habe ich das cABCDE-Schema bei uns um das F erweitert - F wie FAILURE!
Unter dem F werden sämtliche zur Verfügung stehende Konzepte zusammengefasst, allen voran das 10-for-10, was nach dem Primary Assessment und damit der Entscheidung "kritisch / nicht-kritisch", einfach Sinn macht und sich auch im klinischen Alltag bewährt hat. Zudem soll das F erinnern: "Haben wir an alles gedacht? Haben wir etwas übersehen? Sind wir alle auf dem gleichen Stand? Haben wir klar kommuniziert? Weiß jeder, was Sache ist und was er zu tun hat?"
Dementsprechend ist das F auch CRM: "Kommuniziere ich gut? Erfülle ich meine Rolle? Muss ich die Führung übernehmen? Brauchen wir Hilfe?" usw.
Das F erinnert zudem an die häufig gemachten Fehler: "Machen wir einen Fixierungsfehler? Ist der als betrunken angekündigte Patient tatsächlich alkoholisiert?"
Meiner Meinung nach hat die beschriebene Thematik einen festen Platz in der Notfallversorgung verdient und ja, genau da: auf Augenhöhe mit dem glücklicherweise sich immer weiter verbreitenden cABCDE-Schema und so werden aus den wichtigen 12 Buchstaben in der Notfallmedizin eben 13, denn das Erkennen eigener Fehler, und Kommunikationsschwächen ist ebenso wichtig wie das reine Erkennen der akuten Lebensbedrohung mithilfe des cABCDE-Schemas.
Ob sich das Konzept rumspricht, allgemein bewährt oder gar durchsetzt, wird sich zeigen, vielleicht bleibt es nur eine Idee, die medizinische Versorgung weiter zu verbessern, ich kann es aus eigener Erfahrung und der meiner KollegInnen jedenfalls empfehlen und denke, es ist an der Zeit, den als so wichtig erkannten Soft Skills endlich einen angemessenen Platz zuzuordnen.
KK